Telegram gilt als einer der beliebtesten Messenger weltweit – doch viele Nutzer sind überrascht, wenn sie feststellen, dass ihre Gruppenchats nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind. Diese Entdeckung sorgt häufig für Verwirrung, schließlich wirbt Telegram mit hohen Sicherheitsstandards. Was steckt dahinter und wie lässt sich dieses Problem lösen? Die Antwort liegt in der speziellen Architektur der App, die zwischen verschiedenen Chat-Typen unterscheidet.
Warum sind normale Telegram-Gruppen nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt?
Telegram nutzt für die meisten seiner Funktionen eine sogenannte Server-Client-Verschlüsselung. Das bedeutet: Eure Nachrichten werden zwar beim Versenden verschlüsselt und auf den Servern von Telegram gespeichert, aber der Dienst selbst kann theoretisch auf diese Daten zugreifen. Bei normalen Gruppenchats und Cloud-Chats setzt Telegram bewusst auf diese Methode, um Features wie Synchronisation über mehrere Geräte, Suchfunktionen und große Mitgliederzahlen zu ermöglichen.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bedeutet hingegen, dass nur Sender und Empfänger die Nachricht lesen können – nicht einmal der Dienstanbieter hat Zugriff auf den Klartext. Telegram bietet diese Funktion in den sogenannten geheimen Chats und bei Sprachanrufen an, die jedoch mit bestimmten Einschränkungen verbunden sind.
Der Unterschied zwischen normalen und geheimen Gruppen
Hier liegt der Knackpunkt: Telegram unterscheidet grundlegend zwischen Standard-Gruppen und geheimen Chats. Während normale Gruppen bis zu 200.000 Mitglieder haben können und über alle Geräte synchronisiert werden, funktionieren geheime Chats nach anderen Regeln. Sie sind gerätegebunden und existieren nur auf dem Smartphone, auf dem sie erstellt wurden. Die Nachrichten werden nicht in der Telegram-Cloud gespeichert, eine Weiterleitung ist nicht möglich, und Screenshots können zumindest vom Gesprächspartner erkannt werden. Dafür stehen Selbstzerstörungstimer für Nachrichten zur Verfügung.
Das erklärt, warum Telegram nicht standardmäßig alle Gruppen Ende-zu-Ende-verschlüsselt: Die Funktionalität würde massiv eingeschränkt. Gründer Pavel Durow hat dies öffentlich begründet – die umfangreichen Funktionen von Telegram, von der Multi-Device-Synchronisation bis zur Verwaltung riesiger Kanäle, wären mit durchgehender Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht umsetzbar. Für viele Nutzer ist die Cloud-Synchronisation wichtiger als die maximale Verschlüsselung.
So aktiviert ihr Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in Telegram
Wenn euch der Datenschutz wichtiger ist als die Komfort-Features, gibt es Lösungen – allerdings mit Einschränkungen. Telegram erlaubt es nicht, eine normale Gruppe nachträglich in eine Ende-zu-Ende-verschlüsselte Gruppe umzuwandeln. Stattdessen müsst ihr einen neuen geheimen Chat erstellen.
Geheime Chats für Einzelpersonen
Öffnet Telegram und tippt auf das Profil des gewünschten Gesprächspartners. Wählt die Option geheimen Chat starten. Alternativ tippt auf das Stift-Symbol und dann auf geheimen Chat starten, bevor ihr den gewünschten Kontakt aus der Liste auswählt. Der Chat ist nun Ende-zu-Ende-verschlüsselt, erkennbar am Schloss-Symbol.
Die Einschränkung bei Gruppenchats
Geheime Chats mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung funktionieren bei Telegram ausschließlich zwischen zwei Personen. Für klassische Gruppenchats mit Text-Nachrichten bietet Telegram keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung an. Diese technische Limitation ist ein bewusster Design-Entscheid und unterscheidet den Messenger von Konkurrenten wie WhatsApp, die Gruppenchats standardmäßig Ende-zu-Ende-verschlüsseln.
Gruppenanrufe mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Telegram hat allerdings eine wichtige Erweiterung eingeführt: Ende-zu-Ende-verschlüsselte Gruppenanrufe. Diese können unabhängig von einem bestehenden Gruppenchat gestartet werden und unterstützen bis zu 200 Teilnehmer. Telegram nutzt dabei eine blockchain-ähnliche verteilte Sicherheit, sodass niemand – auch Telegram selbst nicht – mithören kann. Dies bietet zumindest für Sprach- und Videogespräche eine sichere Alternative.

Alternative Lösungen für mehr Privatsphäre
Wenn ihr sensible Informationen in Gruppen austauschen möchtet, bleiben euch mehrere Optionen. Für sehr kleine Gruppen mit bis zu drei oder vier Personen könnt ihr mehrere geheime Chats parallel führen. Das ist umständlich, bietet aber maximale Sicherheit für Textnachrichten. Jeder Chat muss separat geführt werden, was bei zeitkritischen Diskussionen unpraktisch ist.
Wenn es um mündliche Besprechungen geht, bieten die neuen verschlüsselten Gruppenanrufe von Telegram eine sichere Lösung. Damit können bis zu 200 Personen geschützt kommunizieren, ohne dass Telegram oder Dritte Zugriff auf die Inhalte haben.
Signal gilt als Gold-Standard für verschlüsselte Kommunikation und bietet Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für alle Chats – inklusive Gruppen – standardmäßig an. Auch WhatsApp verschlüsselt alle Nachrichten End-to-End, gehört allerdings zu Meta und wirft andere Datenschutzfragen auf.
Für die meisten alltäglichen Gespräche reicht die Server-Client-Verschlüsselung von Telegram völlig aus. Sensible Informationen wie Passwörter, Bankdaten oder vertrauliche Dokumente sollten allerdings über andere Kanäle geteilt werden.
Was bedeutet das für eure Sicherheit?
Die fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in Telegram-Gruppenchats ist nicht automatisch ein Sicherheitsrisiko. Die Server-Client-Verschlüsselung schützt eure Daten vor dem Abfangen durch Dritte während der Übertragung. Das eigentliche Risiko liegt darin, dass Telegram theoretisch Zugriff auf eure Nachrichten hat – sei es durch staatliche Anfragen, Gerichtsbeschlüsse oder im Falle einer Sicherheitslücke.
Telegram betont, dass das Unternehmen noch nie Nutzerdaten an Regierungen weitergegeben hat. Bei geheimen Chats ist dies technisch auch gar nicht möglich, da Telegram durch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung keine entschlüsselten Daten besitzt. Der Hauptsitz in Dubai soll dabei helfen, Datenschutzanfragen aus verschiedenen Ländern besser abwehren zu können. Bei normalen Chats solltet ihr euch dennoch bewusst sein, dass technisch die Möglichkeit des Zugriffs besteht.
Praktische Tipps für mehr Privatsphäre auf Telegram
Unabhängig von der Verschlüsselungsfrage gibt es weitere Maßnahmen, um eure Privatsphäre auf Telegram zu verbessern:
- Telefonnummer verbergen: Geht in die Einstellungen unter Privatsphäre und Sicherheit und wählt bei Telefonnummer, wer diese sehen kann
- Selbstzerstörende Medien: Nutzt die Funktion Einmal ansehen für Fotos und Videos, die nach dem Öffnen automatisch gelöscht werden
- Zwei-Faktor-Authentifizierung aktivieren: Ein zusätzliches Passwort schützt euren Account vor unbefugtem Zugriff
- Aktive Sitzungen überprüfen: Kontrolliert regelmäßig unter Geräte, wo euer Account überall angemeldet ist
Wann lohnt sich Telegram trotz fehlender Gruppenverschlüsselung?
Telegram punktet mit einer einzigartigen Kombination aus Features: riesige Dateigrößen bis 2 GB, Kanäle für Broadcasts, Bots für Automatisierungen und eine hervorragende Multi-Device-Synchronisation. Für Teams, Content-Creator und Community-Manager ist Telegram oft die beste Wahl – solange keine hochsensiblen Daten ausgetauscht werden.
Die bewusste Entscheidung gegen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in Gruppenchats ist Telegrams Kompromiss zugunsten von Funktionalität und Komfort. Ob dieser Trade-off für euch akzeptabel ist, hängt von eurem individuellen Sicherheitsbedürfnis ab. Für den privaten Austausch mit Freunden über Alltagsthemen ist Telegram völlig ausreichend. Wer jedoch maximale Sicherheit für sensible Gespräche benötigt, sollte auf spezialisierte Messenger zurückgreifen, die verschlüsselten Gruppenanrufe von Telegram nutzen oder zumindest geheime Einzelchats erstellen.
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