Das Spiel mit positiven Assoziationen
Beim Einkauf von Kichererbsen fallen Begriffe wie „Natur“, „Premium“, „Selection“ oder „Gourmet“ besonders ins Auge. Diese Bezeichnungen erwecken den Eindruck, dass es sich um eine besonders hochwertige Variante handelt – vielleicht sorgfältiger ausgewählt, schonender verarbeitet oder aus kontrollierterem Anbau. Die Realität sieht jedoch anders aus: Viele dieser Begriffe unterliegen keinerlei gesetzlichen Standards oder Kontrollen. Ein Hersteller kann seine Kichererbsen also als „Premium“ bezeichnen, obwohl dies kein definierter Standard ist, ohne dass diese sich in irgendeiner messbaren Weise von Standardprodukten unterscheiden müssen.
Besonders tückisch wird es, wenn solche Begriffe mit tatsächlich geschützten Siegeln kombiniert werden. Steht „Bio-Natur-Kichererbsen“ auf der Verpackung, ist rechtlich nur das Wort „Bio“ relevant und kontrolliert. Die Ergänzung „Natur“ fügt keine zusätzliche Qualitätsgarantie hinzu, suggeriert aber unbewusst eine Steigerung der Natürlichkeit oder Reinheit.
Der Bio-Zusatz: Wann ist er berechtigt?
Anders als freie Werbebegriffe unterliegt „Bio“ strengen EU-Verordnungen. Kichererbsen dürfen nur dann als biologisch bezeichnet werden, wenn sie aus kontrolliert ökologischem Anbau stammen und entsprechend zertifiziert sind. Das bedeutet kein Einsatz synthetischer Pestizide, keine chemischen Düngemittel und strikte Kontrollen der gesamten Produktionskette. Verbraucher sollten konkret nach dem EU-Bio-Siegel oder anderen anerkannten Zertifizierungen Ausschau halten.
Manche Verpackungen arbeiten mit Formulierungen wie „nach Art des biologischen Landbaus“ oder „natürlich angebaut“ – Begriffe, die bio-ähnlich klingen, aber keine offizielle Zertifizierung bedeuten. Alles andere kann eine bewusste Täuschungsstrategie sein, um einen höheren Preis zu rechtfertigen. Ein weiterer kritischer Punkt betrifft importierte Bio-Kichererbsen aus Drittländern. Während EU-Bio-Standards gelten, können die Kontrollmechanismen in Herkunftsländern unterschiedlich streng sein. Theoretisch müssen die Standards gleichwertig sein, praktisch gibt es aber Unterschiede in der Überwachungsintensität.
Premium und Selection – leere Versprechungen?
Der Begriff „Premium“ suggeriert Exklusivität und überlegene Qualität. Bei Kichererbsen könnte man annehmen, dass damit etwa größere Körner, gleichmäßigere Größensortierung oder eine bestimmte Sorte gemeint ist. Tatsächlich gibt es bei Kichererbsen durchaus Qualitätsunterschiede: Die Größe, die Schalendicke und die Kochzeit variieren je nach Sorte und Anbaubedingungen erheblich.
In vielen Fällen unterscheiden sich solche Produkte ausschließlich durch die aufwendigere Verpackungsgestaltung und den höheren Preis von konventionellen Alternativen. Der tatsächliche Inhalt – Herkunft, Sorte, Verarbeitungsqualität – kann identisch sein. Wer tatsächlich hochwertige Kichererbsen identifizieren möchte, sollte auf konkrete Merkmale achten: gleichmäßige Größe und Form der Körner, intakte Schalen, geringe Anzahl verfärbter Exemplare, Angabe einer konkreten Herkunftsregion und nachvollziehbare Informationen zur Sorte. Diese objektiven Kriterien sind aussagekräftiger als jeder Marketingbegriff.
Natur pur – oder nur natürlich klingend?
„Natur“ ist ein weiterer beliebter Begriff auf Lebensmittelverpackungen. Er vermittelt Ursprünglichkeit, Reinheit und Unverfälschtheit. Bei getrockneten Kichererbsen erscheint diese Bezeichnung zunächst logisch – schließlich handelt es sich um ein unverarbeitetes Naturprodukt. Doch gerade deshalb ist der Begriff überflüssig und dient primär der emotionalen Beeinflussung.
Getrocknete Kichererbsen sind grundsätzlich ein naturbelassenes Produkt, unabhängig davon, ob „Natur“ auf der Packung steht oder nicht. Der Begriff suggeriert aber eine Abgrenzung zu vermeintlich weniger natürlichen Varianten – eine Unterscheidung, die bei diesem Produkt in der Regel gar nicht existiert. Anders sähe es aus, wenn es um vorgekochte oder gewürzte Kichererbsen ginge, aber bei getrockneter Ware ist die Zusatzbezeichnung marketing-technisches Beiwerk ohne Substanz.

Regionalität als Qualitätsmerkmal
Ein zunehmend wichtiger Aspekt beim Kauf von Hülsenfrüchten ist die Herkunft. Während Kichererbsen traditionell aus dem Mittelmeerraum und Vorderasien stammen, gibt es mittlerweile auch europäischen und sogar deutschen Anbau. Die Anbaufläche in Deutschland ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen: Wurden 2021 noch etwa 300 Hektar bewirtschaftet, waren es 2023 bereits zwischen 1.100 und 1.300 Hektar und 2024 schließlich 1.300 bis 1.500 Hektar. Anbauschwerpunkte finden sich vor allem in der Rheinebene, am Kaiserstuhl, in Sachsen-Anhalt und Brandenburg.
Trotz dieser positiven Entwicklung bleiben Kichererbsen hierzulande eine Nische. Der Selbstversorgungsgrad liegt im einstelligen Prozentbereich. Über 96 Prozent der in Deutschland verbrauchten Kichererbsen werden importiert, hauptsächlich aus Indien, Australien, der Türkei, Äthiopien und Russland. Ungünstige Witterungsbedingungen beeinträchtigen zudem regelmäßig die heimischen Erträge.
Verbraucher sollten daher genau hinschauen: „Abgepackt in Deutschland“ bedeutet nicht „angebaut in Deutschland“. Manche Verpackungen arbeiten mit Regionalflaggen oder entsprechenden Symbolen, obwohl nur die Verpackung, nicht aber der Anbau lokal erfolgte. Die tatsächliche Herkunft muss im Zutatenverzeichnis oder in separaten Angaben genannt werden – oft deutlich kleiner und unauffälliger als die regionalen Marketing-Elemente auf der Vorderseite.
Preisunterschiede kritisch hinterfragen
Die verschiedenen Verkaufsbezeichnungen schlagen sich häufig in erheblichen Preisunterschieden nieder. Ein Produkt mit mehreren positiv klingenden Begriffen kann problemlos das Doppelte oder Dreifache eines schlicht bezeichneten Produkts kosten. Gerechtfertigt sind solche Preisaufschläge nur, wenn echte, nachprüfbare Qualitätsmerkmale dahinterstehen.
Ein sinnvoller Vergleichsansatz: Den Preis pro Kilogramm berechnen und die Zutatenliste sowie Herkunftsangaben verschiedener Produkte gegenüberstellen. Oft zeigt sich, dass günstigere Produkte mit schlichter Aufmachung inhaltlich identisch oder sogar besser sind als vermeintliche Premium-Varianten. Das eingesparte Geld kann dann in tatsächlich kontrollierte Qualitätsmerkmale wie Bio-Zertifizierung investiert werden. Die Nachfrage nach diesem proteinreichen Hülsenfrucht steigt kontinuierlich, und Experten rechnen auch künftig mit einem wachsenden Markt.
Was Verbraucher konkret tun können
Um nicht auf irreführende Verkaufsbezeichnungen hereinzufallen, empfiehlt sich eine systematische Vorgehensweise beim Einkauf. Ignorieren Sie zunächst die großgedruckten Werbebegriffe auf der Vorderseite und konzentrieren Sie sich auf die Pflichtangaben.
- Prüfen Sie die Zutatenliste – bei reinen Kichererbsen sollte dort nur „Kichererbsen“ stehen
- Kontrollieren Sie die Herkunftsangabe genau
- Achten Sie auf offizielle Siegel statt auf Werbesprache
- Vergleichen Sie den Kilopreis verschiedener Produkte
- Betrachten Sie wenn möglich den Inhalt durch Sichtfenster in der Verpackung
Bei verpackten Hülsenfrüchten lohnt sich auch der Griff zu unverpackten Alternativen in Unverpackt-Läden oder gut sortierten Bioläden. Dort können Sie die Qualität direkt beurteilen und bezahlen nur für das Produkt selbst, nicht für aufwendige Marketingverpackungen. Die Lebensmittelindustrie nutzt die Informationsasymmetrie zwischen Herstellern und Konsumenten gezielt aus. Wer sich aber die Zeit nimmt, Verpackungsangaben kritisch zu lesen und Begriffe zu hinterfragen, kann diese Wissenslücke schließen. Kichererbsen bleiben ein wertvolles Lebensmittel – die Qualität entscheidet sich aber an objektiven Kriterien, nicht an wohlklingenden Werbeversprechen.
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